Es gibt viele Anlässe, um sich mit dem Wert (s)einer Liegenschaft zu beschäftigen. Vielleicht wollen Sie Ihre Liegenschaft veräußern oder vererben, Sie stehen vor einer Ehescheidung bzw. anderen essenziellen Entscheidungen. Oder Sie sind umgekehrt an einem Kauf interessiert und möchten den aufgerufenen Kaufpreis auf Plausibilität prüfen lassen oder wollen Ihr Eigentum als Besicherung einer Finanzierung einsetzen.
Der Wert einer Immobilie hängt von vielen Faktoren ab und zur Ermittlung dieses Wertes nennt das Liegenschaftsbewertungsgesetz drei Verfahren:
- Vergleichswertverfahren (§ 4 Liegenschaftsbewertungsgesetz)
- Ertragswertverfahren (§ 5 Liegenschaftsbewertungsgesetz)
- Sachwertverfahren (§ 6 Liegenschaftsbewertungsgesetz)
Diese Verfahren sind nicht für jede Liegenschaft und jeden Bewertungsanlass gleich gut geeignet. Deshalb regelt das Liegenschaftsbewertungsgesetz in § 7, wie bei der Auswahl des Verfahrens vorzugehen ist.
Wird eine Liegenschaft im Rahmen eines Gerichtsverfahrens oder aufgrund einer behördlichen Anordnung bewertet, so kann das Gericht oder die Behörde das Verfahren festlegen, nach dem die Bewertung vorgenommen werden muss. Wenn das Verfahren nicht von offizieller Seite festgelegt wird, liegt es am Sachverständigen das passende Verfahren nach eigenem Ermessen auszuwählen. Dabei ist er allerdings angehalten, sich am aktuellen Stand der Wissenschaft, den Gepflogenheiten des redlichen Geschäftsverkehrs zu orientieren.
Es kann durchaus vorkommen, dass mehrere Verfahren ähnlich gut geeignet bzw. zur jeweiligen Wertermittlung notwendig sind, jedoch zu unterschiedlichen Ergebnisse kommen. In diesem Fall sieht das das Liegenschaftsbewertungsgesetz vor, dass der Wert aus den Ergebnissen der einzelnen Bewertungsverfahren unter Berücksichtigung der Verhältnisse im redlichen Geschäftsverkehr zu ermitteln ist.
Rechtliche/normative Grundlagen
Die rechtliche bzw. normative Grundlage für alle drei Bewertungsverfahren ist neben dem Liegenschaftsbewertungsgesetz die ÖNORM B1802-1.
Vergleichswertverfahren
Im Vergleichswertverfahren ist der Wert der Immobilie durch Vergleich mit tatsächlich erzielten Kaufpreisen vergleichbarer Immobilien zu ermitteln (Vergleichswert). (§ 4 LBG. 1992).
Abweichende Eigenschaften sowie geänderte Marktverhältnisse sind nach Maßgabe Ihres Einflusses auf den Wert durch Zu- oder Abschläge begründet zu berücksichtigen. (§ 4 LBG. 1992).
Da der Verkehrswert aus real erzielten Kaufpreisen abgeleitet wird, bietet das Vergleichswertverfahre ein hohes Maß an Transparenz.
Anwendungsfälle
Um einen zuverlässigen Vergleichswert zu ermitteln, müssen vergleichbare Objekte existieren und solche Objekte müssen auch vor nicht allzu langer Zeit gehandelt worden sein. Je einzigartiger eine Immobilie ist, desto schwieriger ist es, das Vergleichswertverfahren anzuwenden.
Typische Anwendungsfälle für das Vergleichswertverfahren sind daher:
- Unbebaute Grundstücke
- Eigentumswohnungen
- Reihen- und Doppelhäuser
in eingeschränktem Umfang kann es auch für folgende Immobilien herangezogen werden:
- Einfamilienhäuser
- Luxusimmobilien
- Industriegebäude
Ablaufschema
Ertragswertverfahren
Im Ertragswertverfahren ist der Wert der Sache durch Kapitalisierung des für die Zeit nach dem Bewertungsstichtag zu erwartenden oder erzielten Reinertrags zum angemessenen Zinssatz und entsprechend der zu erwartenden Nutzungsdauer der Sache zu ermitteln (Ertragswert). (§ 5 LBG. 1992)
Anwendungsfälle
Demnach kommt das das Ertragswertverfahren vorrangig bei bebauten Liegenschaften, die primär zur Vermietung oder Verpachtung also zur Erzielung von Erträgen bestimmt sind, oder die dazu genutzt werden könnten:
- Mietzinshäuser
- Hotels, Gastronomie, touristische Liegenschaften
- Gemischt genutzte Objekte
- Parkhäuser, Parplätze
- Krankenhäuser, Arztpraxen, Seniorenimmobilien
- Handels-, Logistik-, Büro- und Verwaltungsimmobilien
- Kinos, Golfplätze und andere Freizeitimmobilien
- Tankstellen und Autohäuser
Mit Einschränkungen ist das Ertragswertverfahren in folgenden Fällen anwendbar:
- Universitäten, Schulen, Kindergärten
- Gewerbe- und Industrieobjekte
- Kirchliche und karitative Liegenschaften
- Zweifamilienhäuser
- Schwimmbäder
- Schlösser und Burgen
- Öffentliche Gebäude
- Infrastrukturimmobilien (Bahnhöfe, Flughäfen, …)
Ablaufschema
Sachwertverfahren
Gemäß § 6 Liegenschaftsbewertungsgesetz ergibt sich der Sachwert einer Immobilie aus dem Wert des Grund und Bodens, dem Wert des darauf befindlichen Gebäudes und gegebenenfalls des Zubehörs. Der Bodenwert wird im Rahmen des Sachwertverfahrens in der Regel als Vergleichswert von Kaufpreisen ähnlicher unbebauter Grundstücke ermittelt. Bei der Ermittlung des Bauwertes geht man üblicherweise vom Herstellungswert aus und zieht davon Wertminderungen (z. B. durch Abnutzung) ab. Darüber hinaus werden andere wertbeeinflussende Faktoren, wie beispielsweise die Lage einer Liegenschaft, gesondert berücksichtigt.
Anwendungsfälle
Das Sachwertverfahren ist insbesondere für Immobilien geeignet, die für die Eigennutzung verwendet werden. Typische Beispiele sind
- Einfamilienhäuser
- Zweifamilienhäuser
- eigengenutzte Eigentumswohnungen.
Darüber hinaus ist das Sachwertverfahren mit Einschränkungen auf folgende Immobilien anwendbar:
- Luxusimmobilien
- Schlösser und Burgen
- Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser, Sanatorien
- Gewerbe- und Industrieobjekte
- Kirchliche und andere karitative Liegenschaften
- Verwaltungs- und Repräsentationsgebäude
Ablaufschema